Um das Thema “halal“ verstehen zu können, ist ein – wenn auch extrem kurzer – Blick auf den islamischen Kontext notwendig. Der Islam ist nach muslimischem Verständnis die wahre Religion Gottes, und alle Propheten – der Friede sei mit ihnen – haben nichts anderes gelehrt, als den Islam. Die Grundlagen des Islam, lassen sich stark vereinfacht an der arabischen Wortwurzel des Begriffs “Islam“ erläutern. Die Wortwurzel “s-l-m“ ist gleichzeitig die Wortwurzel von “Frieden“ (Salam) und “Ergebenheit“ (Taslim). Daher ist die folgende Beschreibung ein vereinfachter Ansatz zum Verständnis des Islam:
Frieden (Salam) im Herzen erreicht man nur durch Ergebenheit (Taslim) in Gott, und das ist der Islam (Gottes wahre Religion).
Der Sinn der Schöpfung des Menschen besteht darin, dass der Mensch die Liebe Gottes empfangen soll. Er ist erschaffen als “Liebesempfänger“, um die höchste Stufe der Liebe zu erlangen, die erst durch die Freiheit möglich wird, welche Gott dem Menschen in einem gewissen Maß gewährt hat. Der Mensch wurde von Gott entfernt (downgegradet), um mit der Fähigkeit der Freiheit den Weg in Richtung Gott einzuschlagen und damit einen höheren Bewusstseinszustand und einen höheren Glückszustand als vor der Trennung zu erlangen. Freiheit bedeutet auch die Fähigkeit zu haben, zwischen gut und böse, zwischen richtig und falsch unterscheiden zu können, wie auch die Fähigkeit zu haben, in beide Richtungen zu gehen. Dabei sind die Definitionen von gut und böse, richtig und falsch allein an Gott ausgerichtet. Was den Menschen näher zu Gott und dessen Liebe bringt, ist richtig und gut. Was ihn davon entfernt, ist böse und falsch, wobei es unterschiedliche Grade gibt.
Diese Fähigkeit des Menschen zum optimalen Liebesempfang durch vollständige Hingabe bzw. reinen Gottesdienst und gleichzeitiger Freiheit, sich davon abwenden zu können, wird auch im Herzen des Menschen deutlich. Genau wie das körperliche Herz verfügt auch das “spirituelle Herz“ über zwei Kammern. In der einen Kammer ist der Sitz des “Geist Gottes“, in der anderen sitzt die Seele des Menschen, das sogenannte “Ich“. Gelingt es dem Menschen, seine Seele im Einklang mit dem Geist Gottes “schlagen“ zu lassen, verfügt er über ein gesundes Herz. Gelingt ihm dies jedoch nicht, oder versucht er bewusst einen anderen Takt einzustimmen, wird sein Herz daran erkranken. Dieser “Kampf“ des Menschen in seinem eigenen Herzen gegen das Böse in sich selbst ist als “große Anstrengung“ (großer Dschihad) bekannt. Den optimalen Weg zu Gott zeigt die geschriebene Offenbarung, der Heilige Qur’an, und die gelebte Offenbarung, der Prophet Muhammad (s.). Sein gelebtes Vorbild, seine “Sunna“, ist bindend für alle Muslime und beschreibt Gottes Wort und damit, was erlaubt (halal) und was verboten (haram) ist, sowie die Feinheiten dazwischen.
Während es in den Grundlagen des Islam Übereinstimmung zwischen den unterschiedlichen Rechtsschulen und damit Interpretationen des Islam gibt, kann es im Detail Abweichungen geben. Das Grundprinzip der Einheit überlagert aber die allermeisten Unterschiede im Detail und zahlreiche Muslime suchen nach Wegen, um die Unterschiede konstruktiv zu überwinden, selbst wenn sie bestehen bleiben.
Halal-Speise bedeutet in diesem Sinn eine Nahrungsaufnahme, die uns der Liebe Gottes näher bringt, während die bewusste Aufnahme einer verbotenen Speise (haram) uns von der Liebe Gottes entfernt. Erlaubtes oder Verbotenes kann man aber nur dann zu sich nehmen, wenn man weiß, was man zu sich nimmt. Diese bewusste Aufnahme von Nahrung, gepaart mit Wissen, steht stellvertretend für alle „Nahrungsaufnahmen“ für Körper und Geist.